Sieben Mal in Folge Meister mit Leverkusen. Bamberg ist dank ihm eine Basketball-Großmacht. Und nun hat er in Würzburg das Sagen. Dirk Bauermann, der erfolgreichste und bekannteste Basketballtrainer Deutschlands, ist seit Jahresbeginn als Headcoach für den Bundesligisten s.Oliver Würzburg verantwortlich. Der Redaktion von eigenleben stand er nun Rede und Antwort.
Herr Bauermann, Sie sind Deutschlands erfolgreichster Basketballcoach und trainierten schon Spieler wie Dirk Nowitzki. Warum haben Sie sich zu Beginn des Jahres für Würzburg, bis dato kein deutsches Spitzenteam, entschieden?
Zum einen hat Würzburg eine tolle Geschichte. Die Mannschaft hat ja bereits einmal das Playoff-Halbfinale (Anmerkung der Redaktion: Saison 2011/2012) erreicht. Hier wurden einige der größten Talente in Deutschland entwickelt – nicht nur Dirk Nowitzki, sondern auch Maximilian Kleber, Robert Garrett oder Demond Greene. Würzburg hat demnach eine Historie: Basketball wird hier gelebt. Das sieht man auch an der Fankultur, die für den Erfolg sehr wichtig ist. Zum anderen gibt es hier ein Umfeld, das viele Möglichkeiten eröffnet: Mit dem Hauptsponsor s.Oliver und Bernd Freier (Anmerkung der Redaktion: Geschäftsführer und Beiratsvorsitzender von s.Oliver) als Hauptgesellschafter, mit einem sehr aktiven Beirat. Das zeigt sich nach außen auch in der Entscheidung, eine neue Halle in Würzburg zu bauen. Daran sieht man, dass der Club nicht nur eine Historie hat, sondern auch ein großes Potenzial. Und dieses Potenzial war für mich der wichtigste Grund, mich für s.Oliver Würzburg zu entscheiden.
Sie haben es gerade angesprochen: Würzburg hat im Vergleich zu den Basketballgroßmächten noch keine reine Basketballhalle, was sich bald ändern soll. Inwieweit sind die Voraussetzungen in Würzburg schon gegeben, um oben mitspielen zu können?
Zunächst einmal haben wir ein Budget, das uns in der Liga wettbewerbsfähig macht. Das erkennt man auch an der Qualität der Spieler, die wir verpflichten konnten. Zuletzt mit Robin Benzing einen deutschen Nationalspieler. Insgesamt ist die Stadt basketballbegeistert. Es gibt außerdem ein Umfeld mit Ochsenfurt, Kitzingen, Schweinfurt, in dem auch noch weiteres Fanpotenzial existiert. Insofern sind wir auf einem guten Weg. Aber wir müssen auch in vielen Bereichen noch professioneller und besser werden. Damit haben wir vor dieser Saison angefangen: Ein Zeichen der Professionalisierung ist die Tatsache, dass wir nicht mehr nur einen Assistenztrainer haben, sondern zwei absolute Profis mit Stephen Arigbabu als ehemaligem Nationalspieler und Liam Flynn. Hier geht es also in die richtige Richtung. Wichtig ist uns in erster Linie eine kontinuierliche und nachhaltige Entwicklung des Programms. Wir wollen nicht nur ein Strohfeuer entfachen.
Kontinuität – was bedeutet das für Sie konkret? Was sind Ihre kurz-und mittelfristigen Ziele mit der Mannschaft?
Wir wollen in diesem Jahr eine der Mannschaften sein, die in der Endphase der regulären Saison noch im Rennen um einen der begehrten Playoff-Plätze sind – und das wird schwer genug. Die acht Mannschaften, die letzte Saison in den Playoffs waren, sind alle sehr stark und keine von ihnen ist schlechter geworden. Und es gibt weitere Teams, wie Frankfurt beispielsweise, die ebenfalls die Qualität haben, in die Playoffs einzuziehen. Mittelfristig wollen wir uns als eine der sechs besten Mannschaften der Liga etablieren. Ich denke, das wird auf jeden Fall dann funktionieren, wenn die neue Halle gebaut ist, weil diese uns einfach in vielen Bereichen größere wirtschaftliche Möglichkeiten geben wird.
Um nochmal auf die Verpflichtung von Robin Benzing, Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, zurückzukommen. Kurz vor dem ersten Pflichtspiel ist Ihnen damit ein echter Transfercoup gelungen. Wer hilft Ihnen bei der Spielerauswahl und worauf legen Sie bei der Zusammenstellung eines Teams besonderen Wert?
Zunächst einmal helfen mir meine beiden Assistenztrainer. Darüber hinaus haben wir ein Netzwerk von Trainern und Freunden, auch in der NBA, die wir immer fragen können. Wir sind sehr gut vernetzt und deshalb immer gut informiert. Wir haben ein klares Anforderungsprofil für jeden Spieler. Ein Kriterium, welches alle Spieler erfüllen müssen, ist: Wir wollen charakterlich saubere Typen, die keine Spielchen spielen. Gute Jungs, ehrlich und aufrichtig, die hart arbeiten und die – das ist das Allerwichtigste – immer den Erfolg der Mannschaft in den Vordergrund stellen, nicht ihre eigene Statistiken.
Zur neuen Saison haben Sie ein fast komplett neues Team zusammengestellt. Ist dieser radikale Umbruch allein auf die enttäuschende Saison 2016/17 zurückzuführen? (Anm. der Redaktion: 14. Platz)
Es gibt viele Faktoren, die dabei eine Rolle spielen. Wichtig war für uns am Ende der vorigen Saison, dass wir die letzten vier Spiele gewonnen haben. Dadurch ist ein Stück weit die Begeisterung zurückgekehrt. Insgesamt war die letzte Saison sicher enttäuschend, zum Ende hin haben wir dann aber überzeugende Leistungen gezeigt. Deshalb sind alle mit einem guten Gefühl in die Sommerpause gegangen. Jetzt hat uns der Sieg gegen Bamberg weiter beflügelt. Als Trainer hat man immer Kriterien, die einem besonders wichtig sind. Das hat dazu geführt, dass wir einen großen Teil des Kaders ausgetauscht haben. Es gab allerdings auch Spieler, die dabei geblieben sind: Kresimir Loncar, Felix Hoffmann und Maurice Stuckey. Das sind genau die Profis, die wir wollen.
Aufgrund der seit einigen Jahren geltenden „6 + 6 Ausländer-Regel“ [s.u.] wird die eigene Jugendarbeit immer bedeutsamer. Wie bewerten Sie diese?
Ich glaube, dass das ganze System nur funktioniert, wenn wir eine Motivation haben: Junge Spieler müssen wissen, dass sie eine Chance haben, als Basketballprofi Geld verdienen zu können, wenn sie hart an sich arbeiten und das notwendige Talent besitzen. Deshalb war die Einführung der „6+6-Regel“ wichtig. Es gibt Gegner dieser Regel, die sagen: Die Jugendspieler ruhen sich darauf aus. Das kann vielleicht bei dem einen oder anderen der Fall sein, aber bei 99 Prozent der Spieler spielt das überhaupt keine Rolle – sie wollen spielen und besser werden. Es ist eine gute Regel für den deutschen Basketball und ich hoffe, dass sie bestehen bleibt.
Sie haben Leverkusen damals zum Serienmeister gemacht. Sie sagten einmal, Sie konnten Erfolge zu dieser Zeit nie genießen, da Sie permanent den Druck spürten, diese bestätigen zu müssen. Dirk Bauermann wird automatisch mit Erfolg in Verbindung gebracht. Wie gehen Sie heute mit dem Mediendruck um?
Man muss wissen, dass jede Karriere, vor allem, wenn sie so lange ist wie meine, auch Brüche hat. Es gab nicht nur Erfolge in meiner Karriere. Ich bin auch schon entlassen worden, in Griechenland zum Beispiel. Es kommt darauf an, hartnäckig zu bleiben und die Fähigkeit zu haben, mit Rückschlägen umzugehen. Das gilt nicht nur für den Sport, das gilt auch für Schüler oder jeden anderen Menschen. Es ist wichtig, aus Misserfolgen die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Niederlagen sollten einen stärker anstatt schwächer machen. Ich habe aus Niederlagen und Enttäuschungen immer mehr gelernt als aus den vielen Siegen. Am Ende würde ich sagen: Es stimmt. Mit Erfolg verbinden sich auch immer bestimmte Erwartungen, aber die sind das Salz in der Suppe. Das ist nichts, was mich irgendwie bedrückt, sondern etwas, das mich antreibt.
Guardiola oder Klopp? Stratege oder der Emotionale? Welche Art von Trainer verkörpern Sie und welche Stärken muss ein Trainer im Basketball haben?
Gute Trainer müssen etwas von allem haben. Klopp ist natürlich einer, der sehr emotional ist, aber mit Sicherheit auch ein hervorragender Stratege. Und dass Guardiola bei seinen Spielen mitlebt, das sieht man ihm an. Vielleicht ist bei ihm das strategische Element etwas ausgeprägter als bei anderen Trainern. Im Grunde müssen wir aber alle ähnliche Qualitäten besitzen, nur in unterschiedlichen Ausprägungen. Wichtig ist, dass man sich selbst treu bleibt und nicht versucht so zu werden wie ein anderer Trainer, nur weil der gerade Erfolg hat. Wenn man das tut, dann passieren gute Dinge.
Sie haben Dirk Nowitzki schon als damaliger Nationalcoach trainiert. Welche Verbindungen haben Sie noch zu Ihm?
Er hat seinen Lebensmittelpunkt mittlerweile in den USA und ist dort glücklich. Er hat immer viel zu tun mit seinem NBA-Job, aber wir sind immer wieder in Verbindung und schreiben uns ab und zu. Gerade jetzt natürlich, wo ich Trainer in seiner Heimatstadt bin. Ich bin froh, dass ich die Möglichkeit hatte mit ihm zusammen arbeiten zu dürfen. Er ist eine besondere Persönlichkeit, und wir können sehr froh sein, dass wir nicht nur einen Spieler, sondern auch eine Persönlichkeit wie ihn im deutschen Basketball haben.
Zu Beginn seiner Karriere hat er in Würzburg gespielt. Ist es realistisch, dass man ihn nochmal für Würzburg auflaufen sieht oder man ihn nach seiner Karriere in den Verein einbinden kann?
Ich glaube, dass er alles andere als ein Funktionär ist. Seine Interessen werden in ganz anderen Bereichen liegen. Es wäre natürlich großartig, wenn er irgendwann auch wieder ein bisschen Zeit dafür fände, sich hier zu engagieren. Wir müssen mal schauen, was wir da tun können. Ihm stehen bei uns immer alle Türen offen. Es ist aber noch viel zu früh dafür, er spielt ja noch. Irgendwann kommt die Zeit, wo er sich neu orientieren muss und vielleicht hat er dann ein auch bisschen Zeit für uns.
Apropos Zeit: Wie zeitintensiv ist der Job als Headcoach im Basketball?
Es ist ein „24/7-Job“ (Anmerkung Redaktion: ständige Bereitschaft bzw. Verfügbarkeit). Selbst wenn man nicht im Büro oder in der Halle ist, gilt der erste Gedanke am Morgen und der letzte Gedanke vor dem Einschlafen dem Sport. Das lässt einen nie los, weil es eben nicht nur ein Beruf, sondern eine Berufung ist. Es ist eine Leidenschaft – und das muss es auch sein, sonst funktioniert es nicht. Es fängt immer mit dem Trainer an: Mit seiner Motivation, seiner Arbeitsbereitschaft, seinem Fleiß. Da versuchen wir, einen guten Standard für unsere Jungs zu setzen. Bisher hat es ganz gut geklappt. Wollen wir hoffen, dass es so bleibt.
Die 6 + 6 Ausländer-Regel: Seit der Saison 2012/13 müssen im Spielberichtsbogen von zwölf Profis mindestens sechs einen deutschen Pass haben. Bei zehn aufgeführten Spielern müssen vier, bei elf fünf Deutsche dabei sein. Der Sinn hinter der Regel ist einleuchtend: die Einsatzsatz der deutschen Spieler soll hochgehalten und somit auch die eigene Jugend gefördert werden.
ME