Die heilige Nacht? Die Heiden waren zuerst da. Weihnachten, wie wir es heute kennen, ist weit weniger ein christliches Fest, als viele glauben. Tatsächlich sind viele unserer weihnachtlichen Bräuche tief in heidnischen Ritualen verwurzelt – von der Wintersonnenwende bis zu alten Götterfesten. Die Kirche hat diese Traditionen geschickt umgedeutet, um das Christentum für die heidnische Bevölkerung attraktiver zu machen. Was wir heute feiern, ist weniger die Geburt Jesu als die Überreste eines Jahrtausende alten Sonnenwendefests, das einst das Licht und das Leben ehrte.
Sonnenkult, Mithras und Saturnalia
Am 25. Dezember wurde in der Antike die Wintersonnenwende gefeiert – ein Moment der Hoffnung, an dem das Licht nach den dunklen Tagen zurückkehrte. Die Römer gedachten an diesem Tag dem Sonnengott Sol Invictus (der „unbesiegbaren Sonne“) sowie der Geburt des Gottes Mithras. Gleichzeitig fanden die ausgelassenen Saturnalien statt, Feste voller Geschenke, Feuer und Fröhlichkeit.
Als das Christentum im Römischen Reich Fuß fasste, nutzten die Kirchenvertreter diese Feste geschickt, um den neuen Glauben zu verbreiten. Kaiser Konstantin der Große, der zunächst dem Sol-Kult anhing, konvertierte zum Christentum und machte aus dem Geburtstag des Sonnengottes den Geburtstag Jesu. Um 336 wurde erstmals Weihnachten offiziell gefeiert. Wissenschaftler sprechen hier von Inkulturation: Die Kirche überlagerte heidnische Feste mit christlichen Bedeutungen, um die Konvertierung zu erleichtern. Das erlaubte es vielen Menschen, ihre alten Bräuche weiterzuführen – nur mit einem neuen Namen.
Bereits im römischen Mithraskult wurden Bäume zur Wintersonnenwende geschmückt. In Mitteleuropa setzten sich Tannenbäume während der Reformation durch. Doch ursprünglich galten sie der Kirche als „heidnischer Brauch“. Erst viel später wurden sie akzeptiert – und schließlich sogar in Gotteshäusern aufgestellt.
Julfest und Raunächte
Auch die Germanen und andere Völker feierten die Wintersonnenwende mit großen Festen. Das skandinavische Julfest beispielsweise steht noch heute begrifflich für die alten heidnischen Wurzeln von Weihnachten. Mit der Christianisierung verband sich die Freude über das Ende der dunklen Tage mit der Geburt Jesu. Der Begriff „Weihnachten“ tauchte erst 1170 auf, abgeleitet vom mittelhochdeutschen „ze wihen nahten“ – möglicherweise inspiriert von den „Rauhnächten“, einer Zeit voller Rituale und Geisterglauben vom 25. Dezember bis zum 6. Januar.
Hybridfest
Weihnachten ist mehr als das Fest der Geburt Jesu. Es vereint die Wiedergeburt der Sonne, den Jahreswechsel und die Ehrung von Geistern und Göttern. Diese Vermischung aus orientalischen, germanischen und römischen Bräuchen zeigt sich in Pflanzen, Räucherwerk und Ritualen, die wir bis heute feiern.
Text: Milena Hildebrandt