In Chicago sind die Folgen von Gewalt und Schusswaffengebrauch ein allgegenwärtiger Albtraum: Täglich erschüttern durchschnittlich 39 Gewaltverbrechen die Stadt und hinterlassen tiefe seelische Narben bei den Bewohnern und führen bei vielen zu posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS). Um dem entgegenzuwirken, hat die Stadt ein Bündel an Maßnahmen ins Leben gerufen, die auf psychische Gesundheitsförderung und Gewaltprävention abzielen.
Baristas als psychologische Ersthelfer in Chicago
Die hohe Gewaltkriminalität in Chicago führt bei vielen Bewohnern zu traumatischen Erlebnissen und PTBS. In einigen Stadtteilen werden Baristas geschult, Anzeichen von Suizidgefährdung zu erkennen und psychologische Erste Hilfe zu leisten. Dabei lernen sie, Warnsignale zu identifizieren, in Krisen angemessen zu reagieren und Betroffene an professionelle Hilfe weiterzuleiten. Diese Maßnahmen basieren auf dem Konzept der „Mental Health First Aid“, das auf die Bedürfnisse lokaler Gemeinschaften zugeschnitten ist. Die Baristas tragen dazu bei, dass soziale Treffpunkte wie Cafés eine wichtige Rolle in der psychischen Gesundheitsförderung übernehmen können.
Weitere Präventionsansätze in Chicago
- Safe Passage
Ein Programm, das sicherstellt, dass Schüler auf ihrem Weg zur und von der Schule geschützt sind. Es reduziert die Exposition gegenüber Gewalt und bietet eine sichere Umgebung für den Schulbesuch. - Choose to Change
Dieses Programm kombiniert intensive Mentoring-Dienste mit kognitiver Verhaltenstherapie, um Jugendlichen zu helfen, traumatische Erfahrungen zu bewältigen und positive Lebensentscheidungen zu treffen. - Chicago Youth Programs (CYP)
CYP bietet umfassende Dienstleistungen, darunter Bildungsunterstützung, Gesundheitsdienste und Freizeitaktivitäten, um das Wohlbefinden und die Zukunftsaussichten von Jugendlichen in unterversorgten Gebieten zu verbessern. - Trauma Recovery Centers: Diese Einrichtungen bieten kostenlose psychologische Unterstützung für Opfer von Gewalt und deren Familien an, um traumatische Erlebnisse zu bewältigen.
- After School Matters: Dieses Programm bietet Jugendlichen Zugang zu außerschulischen Aktivitäten in den Bereichen Kunst, Sport, Wissenschaft und Technologie, um ihre Talente zu fördern und sie von Gewalt fernzuhalten.
Sip of Hope
Das Projekt „Sip of Hope Coffee“ wurde 2016 von der Organisation „Hope for the Day“ in Zusammenarbeit mit der Rösterei Dark Matter Coffee ins Leben gerufen. Die Vision: Kaffee als Plattform für Suizidprävention zu nutzen. 2018 eröffnete das erste „Sip of Hope Coffee Bar“ in Logan Square. Neben dem Ausschank von Kaffee bietet das Café eine Anlaufstelle für psychologische Ressourcen und Bildung. Alle Baristas sind in „Mental Health First Aid“ geschult, um Kunden in psychischen Krisen unterstützen zu können.
Seit 2020 bietet „Sip of Hope“ auch eigene Kaffeeblends an, deren Erlöse vollständig in Programme zur psychischen Gesundheitsförderung fließen. Mit der geplanten Eröffnung einer weiteren Filiale im University of Chicago’s Center for Care and Discovery wird das Projekt ausgeweitet, um noch mehr Menschen zu erreichen. „Sip of Hope“ ist ein einzigartiges Beispiel dafür, wie alltägliche Begegnungen zu einem Wendepunkt in der Suizidprävention werden können.
Text: Milena Hildebrandt