Flackerndes Kerzenlicht, lateinische Gebete, Schreie, die durch die Nacht hallen. Was wie die Szene eines Horrorfilms klingt, war für Anneliese Michel grausame Realität. Zwischen 1975 und 1976 durchlebte die junge Frau aus Klingenberg am Main 67 Exorzismen – ein Martyrium, das mit ihrem Tod endete.
Die 23-jährige Annelise Michel, war sehr gläubig und litt an Epilepsie und Depressionen. Doch im Alter von 16 Jahren glaubte sie, Stimmen zu hören, die sie als dämonisch wahrnahm. In ihrer Verzweiflung suchte sie Hilfe bei der katholischen Kirche. Die Familie, überzeugt davon, dass ihr Kind besessen sei, vertraute auf die uralten Rituale der Teufelsaustreibung.
In den Aufzeichnungen der Exorzismen ist von teuflischen Schreien, Selbstverletzungen und einer völligen Verweigerung von Nahrung die Rede. Anneliese soll behauptet haben, von sechs Dämonen, darunter Luzifer und Judas, besessen zu sein. Tag für Tag wurde ihr Körper schwächer, ihre Seele verlor den Kampf – bis sie schließlich am 1. Juli 1976 verhungerte. Am Ende wog sie nur noch 30 Kilogramm.
Doch was viele nicht wissen: Exorzismen sind keine Relikte der Vergangenheit. Auch heute noch werden Menschen weltweit Exorzismen unterzogen – oft mit fatalen Folgen. In manchen Kulturen werden sie sogar als Heilmittel gegen psychische Erkrankungen betrachtet, ohne dass medizinische Hilfe hinzugezogen wird. Dies zeigt, wie gefährlich es ist, Religion und Wissenschaft gegeneinander auszuspielen.
Die Geschichte von Anneliese Michel bleibt eine Mahnung: Ein Exorzismus ist kein Heilmittel. Der wahre Dämon, der besiegt werden muss, ist oft Ignoranz – sowohl gegenüber psychischen Krankheiten als auch gegenüber modernen Behandlungsmethoden.
Text: Milena Hildebrandt