Wenn man sich über seine Hobbies unterhält kommen meistens immer dieselben Antworten: Fußball, Turnen oder das Instrument XY. Wenn man dann „Theater spielen“ antwortet, entsteht in einigen Gesichtern oftmals ein deutliches Fragezeichen. In den meisten Köpfen entsteht dann das Bild eines großen Theaterhauses, viele schickangezogene Gäste, Stücke mit Poesie und Kultur.
Viele vergessen dabei das sogenannte Laientheater, oder anders ausgedrückt „Bauerntheater“. Vor allem in den ländlichen Dörfern gibt es viele kleine Theatervereine, die meist um den Jahreswechsel herum auf Hochtouren spielen. Jedes Wochenende besucht man ein anderes Theater und lässt sich verzaubern von Witz und derbem Humor. Meist wird der Text sogar in heimischen Dialekt und mit ortsbezogenen Witzen umgeschrieben.
Ein typischer Probetag in meinem Verein läuft meistens so ab:
18:25
Seit 25 Minuten ist Probe. Bisher sind wir zu dritt. Zwei Spieler und der Regisseur. Pünktlichkeit war noch nie unsere Stärke.
18:35
Nach und nach trudeln die restlichen Mitglieder ein. Natürlich muss erst diskutiert werden, welches Bier heute aufgemacht wird und was denn der neue Tratsch im Dorf ist.
„Leute, auf geht’s!“ motiviert uns unser Regisseur. Jetzt sind Aufwärmübungen á la Künstler angesagt. Gesicht so klein wie möglich machen, Gesicht so groß wie möglich machen, sich dehnen und den Körper ausklopfen.
18:45
„Wir fangen beim zweiten Akt an. Der muss jetzt laufen!“ Langsam trotten die entsprechenden Spieler auf die Bühne. Nachdem sich jeder dran erinnert hat, wo er nochmal steht, wird angefangen. Mit Text in der Hand, versteht sich.
18:46
„Stop! Nein, das machen wir anders! Macht das nochmal, aber setzt euch dabei mal hin“ ruft unser Regisseur dazwischen.
18:47
„Ne, das sieht doch komisch aus. Und außerdem streichen wir den Satz.“ Alle ändern ihren Text ab.
„Ja doch, den Satz müssen wir doch drin lassen. Sonst macht es später keinen Sinn mehr…“ murmelt er. Alle radieren, streichen und schreiben in ihren Textbüchern.
19:30
Kurze Raucherpause. Für die Nicht-Raucher beginnt jetzt die Suche nach Internet. Ein Mangelprodukt innerhalb dieser Region.
20:25
„Hallo deine Rolle ist genervt! Verhalt dich auch mal so!“ Spielerin fängt von vorne an.
„Noch genervter!“ Spielerin fängt wieder an.
22:00
Eine Szene wird nach der anderen durchgespielt.
23:00
„So für heute reichts!“ Der erlösende Satz unseres Regisseurs. „Wir machen noch schnell die Kritik und dann sind wir fertig“
Die Spieler setzten sich zusammen auf die Bühne. Die Regieassistenz übergibt dem Regisseur die aufgeschriebene Kritik. 10 Seiten.
00:10
Kritikblatt 5. Mittlerweile sind fast alle im Halbschlaf. Außer unser Regisseur der munter alle gespielten Szenen durch geht und seine Kritik vorließt.
00:59
„So und damit jetzt Gute Nacht und bis morgen!“ Die Spieler packen ihre Sachen zusammen und verlassen den Saal.
Vorhang zu.
Text: Marie Klemmer